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  • AutorenbildChristian Nübling

Zurück in das alte Leben?

28.11.2021 sechsundzwanzigster Blog Eintrag – Uhrzeit MEWZ 8:42 Uhr


Hallo zusammen,


im letzten Jahr habe ich mir oft die Frage gestellt: will ich eigentlich wirklich mein altes Leben zurück? Was heißt das eigentlich: das alte Leben? Was vermisse ich? Ich kam für mich persönlich zu dem Schluss: NEIN, auf keinen Fall will ich mein altes Leben zurück.


Mein altes Leben bestand aus: der Götzenanbetung einer Karriere, Macht und Einfluss (Titel, Rituale, Symbolik, Statussymbole), der Notwendigkeit viel Geld zu verdienen, das Glück im Materialismus zu suchen, den Erwartungshaltungen Anderer zu entsprechen (Lob und Anerkennung), Urlaub wenig zu genießen, Arbeit auch an Wochenende, wenn es mein Pflichtgefühl für erforderlich hielt, Freizeit (freie Zeit ohne Arbeit) zur Erholung der körperlichen Erschöpfung zu sehen, eine Spirale des Ungleichgewichts und Instabilität durchzogen von hellen, lichten kurzatmigen Ereignissen voller Frieden und Glück. Mein altes Leben könnte die Überschrift haben „Dazu gehören“. Wir leben in einer „Mehrheitsgesellschaft“, mehr denn je bestimmen Vorurteile und Stereotypen über den gesellschaftlichen Rang. Leistungen von Menschen werden mit den erwünschten Eigenschaften der Mehrheitsgesellschaft verglichen. Wer dazu gehören wollte, so wie ich, muss sich den vorgefertigten Meinungen/ Rollenbilder (siehe Unternehmenskultur) anpassen. Dazu zählen auch der Besitz und Eigentum entsprechender Statussymbole. Gruppenzugehörigkeit liefert vielleicht Anerkennung leider zu Lasten einer Abschirmung gegen Offenheit, Wahrnehmung und neuen Erfahrungen. Wie sieht Ihr aktuelles Leben aus?



Es ist immer das Außergewöhnliche, dass uns oft zum Nachdenken bringt. Wussten Sie, dass pro Jahr 230.000 Menschen in Deutschland an und nicht mit Krebs sterben (das sind 630 Tote pro Tag). Dies ist keine einzige Schlagzeile wert! die Leistungsgesellschaft fordert ihren Tribut, die Medienlandschaft trägt zur Desinformation (Selektion, Fehlgewichtung) und Manipulation bei. Was geht Ihnen gerade spontan durch den Kopf?


Lebensthemen ziehen sich wie ein unsichtbarer roter Faden durch unser irdisches Dasein. Es sind Programmierungen aus der Erziehung, Einstellungen/ Werte und Strategien aus unserer Kindheit, mit denen wir heute noch als Erwachsene leben, kämpfen, lieben oder gar daran zerbrechen – ohne diese selbst oft wahrzunehmen, weil sie uns so vertraut sind, dass wir sie nicht erkennen können. „Der Fisch ist der Letzte, der das Wasser entdeckt“ (Phil Bosmans 1922-2012). Wir verlieren den Blick für unsere Lebensthemen und die Kunst ein gutes Leben zu führen. Wie oft höre ich die Worte, wenn dies passiert oder ich in Rente bin, dann mache ich das. Was hält Sie zurück ein erfülltes Leben zu führen? Bitte keine Ausreden jetzt.


Mit der eigenen Vergänglichkeit leben zu lernen, ist eine Aufgabe, die nicht weniger von uns fordert als das Wissen um das eigene Sterben. Den ausgeblendeten Tod als beständigen Begleiter zurück ins Leben zu holen ist leichter gesagt als getan. Wir weichen dem Tod seit Jahrzehnten aus und beten die ewige Jugend und Schönheit auf dem Altar der biomolekularen Genetik oder Kryonik an. Wir sind Wesen, denen bewusst sein sollte, dass sie jederzeit und plötzlich verletzbar sind, und wir keine Garantie für ein langes und gesundes Leben einfordern können. Wir sind Wesen, die als „unvollkommene Mängelwesen“, wie es Arnold Gehlen (1904-1976, Studien zur Anthropologie und Soziologie) beschrieb, auf diese Welt kommen und die nicht einfache Aufgabe haben, unsere Identität und die eigenen Bedeutsamkeiten erst selbst zu entwickeln. Die Gegebenheiten ihres Alltages waren, sind und werden immer schon das Produkt ihrer Aktivitäten sein.


Zurück in das alte Leben kann es daher gar nicht mehr geben. Der Krebs hinterfragt bisherige Strategien und Lebensereignisse, beeinflusst Lebensplanungen wie das Durchmischen von Spielkarten und eröffnet ein neues Game. Der biographische Verlauf erhält seine Wendung (Krankheitsphase = berufliche Auszeit). Der Ausgang mehr denn je ungewiss zwingt mich in das Hier und Jetzt einzutauchen.


Das verlorene Lebensgefühl wieder zu gewinnen ist für chronisch Erkrankte ein Hürdenlauf, der eigene Körper Ballast und oftmals fremd, störend, gebrochen und verletzlich. Die Psyche angeschlagen, taumelnd verlangsamt unaufhörlich den Tagesablauf. Alte Gewohnheiten, die bisher Sicherheit gewährten, lauern im Alltag und blockieren den freien Willen für den Wandel.


Sie müssen lernen, Abschied zu nehmen von der Vergangenheit, nur der Perspektivenwechsel öffnet die Pforten des Neuanfanges– denn wir sind nicht nur sterbliche Wesen, sondern auch solche, die sich schwierigsten Situationen anpassen können, die mit offenen Augen die Welt erkunden und lernen. Wir können selbstbestimmt handeln, unsere Wünsche und Absichten können in die Realität transformiert werden. Verlieren Sie sich nicht in Ihren Träumen! Weitermachen wie bisher, bringt keine Veränderung. Werden Sie zum Fürsprecher des unendlich kostbaren Lebens!


„Wer einmal sich selbst gefunden, kann nichts auf dieser Welt mehr verlieren.“

Stefan Zweig (1881-1942)


An alle Krebsler: „never give up“!


Euer

Christian

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