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AutorenbildChristian Nübling

Missverstandene Kommunikation

14.09.2021 dreizehnter Blog Eintrag – Uhrzeit MESZ 11:11 Uhr


Hallo zusammen,


„Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken.“

Samuel Johnson (1709-1784)


0815-Sprüche und langweilige Vorlagen (z.B. Genesungswünsche), oft gut gemeinte Worthülsen und Nichtssagende Standardworte bewirken oft das Gegenteil beim Krebspatienten, kommen selten gut an und sind wenig hilfreich. Wir bringen heute so viel Verständnis für irgendwelche Dinge auf, die uns nicht wirklich betreffen und auf der anderen Seite verurteilen wir immer noch Menschen für ihre Krankheit (Schuldzuweisung, Vorurteile). Je näher der Tod in Erscheinung tritt, desto unsicherer, geradezu hilflos agieren wir in der Kommunikation und den Handlungen. Am liebsten würden wir gerne die Flucht ergreifen. Den Schwerkranken alleine stehen lassen! Ein paar Beispiele skurriler Redewendungen …


Falsche Komplimente

  • Das superkurze Haar steht dir gar nicht so schlecht.

  • Jetzt brauchst Du nicht mehr zum Friseur gehen.

  • Wie toll du abgenommen hast!

  • Du siehst ja toll aus!

  • Man sieht es dir gar nicht an!

  • Ich würde mich das ja nicht trauen mit der Glatze.

  • Du siehst ja gar nicht krank aus.

Vermeintliche Mutmacher

  • Du schaffst das schon!

  • Lass den Kopf nicht hängen.

  • Du musst IMMER positiv denken!

  • Du hast es gut, du brauchst nicht mehr arbeiten.

  • Du bekommst Geld ohne zu arbeiten!

  • Du hast viel Freizeit.

  • Du kannst froh sein, dass du nur Krebs ohne Chemo hast.

  • Wir müssen schließlich alle irgendwann sterben.

  • Mit deinem Krebs hast du ja noch Glück gehabt, es hätte auch MS oder Alzheimer sein können.

  • Also, WENN den Krebs jemand besiegen kann, dann DU!

  • Man darf sich nicht aufgeben, denn das Leben ist kein Zuckerschlecken.

  • Das kriegen die Ärzte schon wieder hin.

  • Krebs ist gar nicht schlimm, XY ist viel schlimmer.

  • Eine starke Person wie Du wirft so schnell nichts aus der Bahn. Das wird schon wieder!

  • Wenn es noch ein wenig schmerzt und zwickt: Fühl dich fest und doll gedrückt.

Schicksale anderer

  • Irgendwo ist jemand viel schlimmer dran als du.

  • Dir geht es gut, ich kenne jemanden dem es viel schlechter geht.

  • Ach ja, das hatte mein Nachbar auch. Der ist ganz schnell daran gestorben.

  • Ich könnte auf dem Heimweg auch von einem LKW überfahren werden.

  • Ach, Krebs, das haben ja heutzutage so viele.

  • Ich war auch mal schlecht drauf, ich weiß, wie du dich fühlst.

  • Ich habe selbst schon schwere Krankheit erfahren. Bei mir war das genauso.

Fragwürdige Hilfsangebote

  • Ich kenne da einen Heiler.

  • Du musst unbedingt mal ... probieren.

  • Hast du schon XY probiert, bei YZ hat es geholfen.

  • Hast du schon von der neuen Methode XY gehört?

  • Ich habe letztens eine Studie zu Krebs gelesen, die kann dir bestimmt auch helfen.

  • Du musst dir mal ein bisschen Mühe geben, dann bist du bald wieder fit!

  • Warum lässt Du Dich dort behandeln und nicht bei Z?

  • Du musst gegen Deinen Körper kämpfen.

Worthülsen und andere dumme Sprüche

  • Ich bin in Gedanken bei Ihnen.

  • Ich wünsche Ihnen die Kraft, die Krankheit zu besiegen.

  • Ich freue mich darauf, Sie bald in alter Frische wiederzusehen.

  • Warum setzt du dieses komische Tuch auf und trägst Thrombosestrümpfe?

  • Du läufst aber wackelig!

  • Ich will Dich nicht durch meinen Besuch stören!


Die Liste könnte unendlich lang fortgesetzt werden. Schubladendenken, fehlende Empathie, Unwissenheit und einfach Dummheit befeuern die verbalen Fehläußerungen Dritter. Dabei ist der Übergang zu Respektlosigkeit, Unhöflichkeit, Herablassung oder Bevormundung fließend. Und doch ist es ganz einfach mit einem Krebskranken zu sprechen authentisch, ehrlich, wertschätzend, zuhörend und liebevoll (Nächstenliebe): schaffe Raum (Handy weg), achte auf die Körpersprache, respektiere die Gefühle und Ängste (sich in die Situation des Anderen begeben) und stelle Verständnisfragen (echtes Interesse). Denken Sie daran: die Psyche beeinflusst den Körper und unsere Gesundheit, das gilt insbesondere für Krebskranke. Stärken Sie deren Psyche mit positiven Rückmeldungen. Sie stärken soziale Bindungen und sind auch im Sinne der sozialen Gesundheit sehr förderlich. Nicht jeder Krebskranke ist mit einer robusten Seele ausgestattet, die Belastungen scheinbar nichts anhaben kann. Leider können die Kommunikationsfehler in der Umgangssprache nicht behoben werden, unsere Sprache besteht aus vollen Mehrdeutigkeiten und Widersprüchlichkeiten. Inhaltsebene und Beziehungsebene vermischen sich, weil wir nicht immer sagen können oder sagen wollen, was wir meinen. Wir meinen oft mehr als wir sagen oder sagen es in einer Art und Weise, die offen ist für unterschiedliche Interpretationen („so habe ich das nicht gemeint“) und eigene Rückzugsmöglichkeiten sicherstellt („nein, das habe ich nicht gesagt“). So bleibt mir nur noch eins zu sagen …


„Keiner versteht den anderen ganz, weil keiner beim selben Wort

genau dasselbe denkt wie der andere.“

Johann Wolfgang von Goethe


An alle Krebskranken: „never give up“!


Euer

Christian

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