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AutorenbildChristian Nübling

Der Umgang mit der Angst

20.09.2021 fünfzehnter Blog Eintrag – Uhrzeit MESZ 15:35 Uhr


Hallo zusammen,


Angst ist etwas ganz Natürliches! sie gehört zu den Grundgefühlen, die das Wesen jeder menschlichen Existenz bestimmen. Ängste begleiten uns in unserem Alltag und sind Teil unseres Lebens. Angst unterscheidet sich von Furcht in der Unbestimmtheit eines Gefühls der Beklemmung oder tiefen Besorgnis, die unsere Existenz bedroht, gefährdet oder zerstören kann. Furcht wird durch einen konkreten Reiz (z.B. Spinne, Ratte, Schlange) ausgelöst, die unsere köpereigenen Schutzmechanismen aktiviert.


„Angst ist ein urmenschliches Gefühl, mitunter lebensrettend. Die grundlegende Emotion hilft uns, Gefahren zu erkennen und darauf zu reagieren. Sie mahnt uns zu Vorsicht und erhöhter Aufmerksamkeit. Begründete Furcht verschafft uns die nötigen Energien, um entschlossen zu handeln, Schutzmaßnahmen zu ergreifen oder Herausforderungen anzunehmen und unsere Kräfte zu mobilisieren. Unsere Vorfahren reagierten auf Bedrohungen mit Flucht oder Angriff. Die die Angst begleitenden Körperreaktionen halfen ihnen dabei: Die Muskeln spannen sich an, das Herz schlägt rascher, Stresshormone werden ausgeschüttet. Körper und Geist sind hochkonzentriert und leistungsbereit.“ (Apotheken Umschau, Andrea Blank-Koppenleitner, aktualisiert am 06.12.2017)


Für den dänischen Philosophen Sören Kierkegaard (1813-1855) war die existenzielle Angst (Originaltitel: „Begrebet Angest“) ein Wesensmerkmal menschlichen Denkens und der Willensfreiheit. Das Überwinden der Angst gelingt mit dem Übertreten der Schwelle in den Glauben. „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Joh. 16,33)

Krebsdiagnose, Therapieverlauf, Kopfkino aktivieren die Urängste bewusst oder unbewusst und setzen den Krebspatienten in einen oftmals unkontrollierten Alarmzustand. Wer kennt es nicht, nachts im Bett wälzend oder in Momenten der Einsamkeit von Existenzfragen überschüttet zu werden. Ängste drücken sich dabei in unterschiedlichen Kategorien aus:

  • Angst vor chronischen oder unkontrollierbaren Schmerzen

  • Angst vor geistiger Verwirrung

  • Angst vor Einsamkeit

  • Angst vor dem Tod

  • Angst vor dem endgültigen Aus aller Pläne

  • Angst vor dem Sterben (z.B. Ersticken)

  • Angst, geliebte Menschen nie mehr sehen, hören oder berühren zu können

  • Angst vor Berufsunfähigkeit

  • Angst vor Armut

  • Angst vor Verlust sozialer Kontakte

  • Angst vor Nebenwirkungen während der Therapie

  • Angst vor familiären Stresssituationen

  • Angst vor Schönheitsverlust

  • Angst vor Verlust der Selbstbestimmung und Selbständigkeit

  • Angst den Arbeitsplatz zu verlieren

  • Angst, nicht mehr gebraucht zu werden

Die Folgen der Angstzustände auf uns Krebspatienten, genauso wie die Angehörigen, sind Vielfältig und abhängig von vielen individuellen Faktoren (Außenwelt, Psyche, Familie, Freunde, Wertesystem, körperlicher Gesamtzustand):

  • Schwermut

  • Verlust der Freude

  • sozialer Rückzug

  • Gedankenkreisen

  • Konzentrationsprobleme

  • Schlaflosigkeit

  • Müdigkeit und Energielosigkeit

Sobald Ängste jedoch die Gefühlswelt dauerhafter belasten, den Alltag beherrschen und die eigene Handlungsfähigkeit einschränken, ist es Zeit, ihnen auf den Grund zu gehen, am besten mit professioneller Hilfe (Psychoonkologie).


Ich hatte und habe auch Ängste! vom Sterben bis zur finanziellen Existenzkrise ist so ziemlich jede Befürchtung, Sorge, Schreckgespenst und Horrorgedanke Teil meiner Gedankenspiele, meines Lebens mit dem Krebs und meiner seelischen Verfassung. Stärke und Intensität hängen von der Tagesform und von möglichen externen Störfaktoren (z.B. Chemotherapie, Staging, Arztbriefe, Briefe von Behörden, Kontoauszug, Verhalten im sozialen Umfeld) ab. So gibt es Tage und Wochen totalem relaxt sein, Flows und Chillens einer lebensfrohen und glücklichen Lebenskunst, gefolgt von Tagen der Bedrücktheit und Sorge um die eigene Existenz. Ich habe gelernt diese Gedanken sind notwendig und Teil meiner Auseinandersetzung mit der Krankheit. Mit der aktiven Auseinandersetzung (z.B. Arztbriefe einfordern und „richtige“ Information) verhindere ich die dauerhafte Belastung von Geist und Seele. Neben den Gesprächen (Angst Ausdruck verleihen, negative Gefühle zeigen) ist Sport und Natur (Entspannen) ein weiterer Stabilitätsfaktor für die Beherrschung meiner Ängste. Der Krebs motiviert mich, mich zu ändern, gesünder zu leben, mein Leben zu ordnen, zu verbessern, neu zu starten. Nicht auf alle Fragen zu meinem Leben bekomme ich eine Antwort, das Leben ist voller Überraschungen und Unwägbarkeiten. Oder wie sagt Forrest Gump (Tom Hanks, 1994) „das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie, was man kriegt." Ich lebe mit Mut im Hier und Jetzt oder wie hat Ingmar Bergmann (1918-2007) es so treffend gesagt:


„Es gibt keine Grenzen. Weder für Gedanken, noch für Gefühle.

Es ist die Angst, die immer Grenzen setzt.“


An alle Krebskranken: „never give up“!


Euer

Christian

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