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AutorenbildChristian Nübling

Bucket-Liste: Fluch oder Segen?

11.12.2021 achtundzwanzigster Blog Eintrag – Uhrzeit MEWZ 13:06 Uhr


Hallo zusammen,


Bucket List (Löffelliste nach engl. Kick the bucket), eine Liste mit Dingen, die man im restlichen Leben gerne noch tun oder erreichen möchte, setzt die Erkenntnis über die Endlichkeit des Lebens oder eine zu erwartende negative Lebensprognose (z.B. Krebs im Endstadium) voraus. 520.000.000 Einträge erscheinen in Google zum Thema Bucket List! Ratgeber, Vorlagen, Vorschläge, Checklisten und Bücher („1000 Places To See Before You Die“) füllen die Suchmasken; Blog-Einträge und Podcast ergänzen das Potpourri der Skurrilitäten, sogar ein Hollywood Kinofilm aus dem Jahr 2007 „Das Beste kommt zum Schluss“ mit Jack Nicholson und Morgan Freeman widmet sich dem Thema der Lebensgestaltung am Ende des Lebens. Haben Sie eine Löffelliste? Und warum haben Sie eine erstellt?



Bucket List, ein Symbol bisherig falsch investierter Lebenszeit und Verschwendung, suggeriert ein erfüllendes Leben geführt zu haben, wenn man am Ende des irdischen Daseins plötzlich „positive“ Handlungen und Ereignisse durchlebt wie ein Jäger und Sammler. Bonus- und Treuepunkte für das Jüngste Gericht zu sammeln, damit die leere Seele gefüllt ist, garantiert kein Glück und seelisches Gleichgewicht. Die kurzfristige Befriedigung körperlicher Bedürfnisse ist ohne Wert. Wo früher der Mut gefehlt hat sein Leben lebenswert und aktiv zu gestalten, soll nun am Ende das große Glück zu unserem inneren Frieden beitragen!? Oder ist die Bucket List gar eine Ablenkung mit der Auseinandersetzung des eigenen Todes?


Anstelle Reflektion, ab auf den Mount Everest oder Kilimandscharo, Sky Diving, mit Delfinen auf den Malediven schwimmen, Wale watching, Swingerclub, Machu Picchu, Transsibirien Express, Heißluftballonfahrt, mit dem Kanu durch den Grand Canyon, Selfies vor den Niagara Fälle, u.v.m. Der übermäßige Genuss, oder besser medial inszenierter Konsum, der weltlichen Güter oder Schwelgerei überfordert unsere ruhelose antwortsuchende Seele und blendet die Bedeutung der aktuellen Krankheit aus. Es ist wie ein Drogenrausch mit Gewöhnungseffekt. Je größer die persönliche Bucket-Liste ist, desto langsamer waren Ihre Entscheidungen und viele Gelegenheiten sind ungenutzt an Ihnen vorbeigezogen. Eine Bucket-Liste gaukelt eine Sorglosigkeit vor, die aktuellen Widrigkeiten des Lebens überwindbar zu meistern, die es aber gar nicht gibt. Am Ende der Bucket-Liste bleibt der Krebs … und die unvermeidliche Bekanntschaft mit dem Tod.


Die Bucket-Liste schränkt aus meiner palliativen lebensbejahenden Sicht unsere tägliche Freiheit ein, verkrampft hängen wir an den geschriebenen Zielen fest, der Kontakt mit der Realität und dem Individuellen bricht ab. Man tut alles Erdenkliche, um sich Kontrolle über das Leben vorzuspielen in dem akribisch die Wunschliste, wie eine Einkaufsliste zu Weihnachten oder Ostern, hektisch abgearbeitet wird.


„Wer aber ein aktives Leben des Geistes führt und den Geist pflegt,

von dem darf man sagen, sein Leben sei aufs Beste geordnet und er

werde von den Göttern am meisten geliebt.“

Aristoteles (384-322 v. Chr.)


In jedem Lebensentwurf steckt das individuelle Streben nach Glück, nach Erfüllung und Einklang mit sich und der globalen Welt. Anstelle einer Bucket-Liste plädiere ich die Unbefangenheit, Verspieltheit täglich neu zu entdecken.


Wenn Sie einen Wunsch haben, schreiben Sie ihn nicht auf ein Papier, das schneller als gedacht in Vergessenheit gerät, sondern beginnen Sie mit der Umsetzung. Eine chronische Krankheit wartet nicht auf „bessere“ Tage! Erwecken Sie Ihre Vision zum Leben im Hier und Jetzt. Unser Reichtum liegt im Vorstellungsvermögen, das mit dem Aufstehen am Morgen sagt, was heute für uns wichtig ist und möglich erscheint. Wenn Sie einen Alpencross mit dem Mountainbike machen wollen oder pilgern auf dem Camino, fangen Sie an den Konjunktiv in die Realität sanft zu stoßen. Vieles ist einfacher, als gedacht, lösen Sie Ihre Fesseln der eigenen Unfreiheit. Es sind nicht die erfolgreichen selbstinszenierende Instagram Posts einer abgearbeiteten Bucket-Liste die Leser in den Bann ziehen, nein es sind die Geschichten von Kranken, die sich auf den Weg gemacht haben ihr Leid (Schmerz, Schuld und Wut) zu überwinden. Destruktive Denk- und Verhaltensweisen werden zugunsten von lebensbejahenden Strategien verändert. Am Ende steht die gelungene Aussöhnung mit dem Leben.


„Wagen Sie es, das Leben zu träumen, von dem Sie geträumt haben. Gehen Sie voran

und lassen Sie Ihre Träume wahr werden.“

Ralph Waldo Emerson (1803-1882)


Für die eigene Inspiration und Lebensgestaltung empfehle ich von Andrew George „Right before I die“ (Ausstellung und Fotobuch).


An alle Krebsler: „never give up“!


Euer

Christian

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