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AutorenbildChristian Nübling

30. Chemotherapie

01.03.2022 fünfunddreißigster Blog Eintrag – Uhrzeit MEWZ 16:34 Uhr


Hallo zusammen,


die Einladung zur 30. zytostatische Chemotherapie am 28.02.2022 um 9:00 Uhr habe ich ohne Murren angenommen. Meine Teilnahme am Jubiläums-Event erfolgte ohne inszenierten Besuch beim Friseur, Kosmetikerin und Visagisten. Ganz ungestylt und ohne größere Videobotschaft eines Reality Sternchen an meine Fangemeinde (#sosiehtkrebsaus: an alle sogenannten Promis) ertrug ich die kräftezehrenden 3,5 Stunden in der ambulanten Onkologie meines Vertrauens. Mein Port einsatzbereit und funktionstüchtig, auch bei der Blutabgabe, ließ keinen Zweifel aufkommen, dass heute ein weiterer „Dopingtag“ erfolgreich absolviert wird.



Der Markt für pharmazeutische Wirkstoffe in der Chemotherapie ist im Gegensatz zu früher bedeutend angewachsen. Den Kern bilden u.a. Zytostatika auf natürliche oder synthetische Basis, die das Zellwachstum beziehungsweise die Zellteilung hemmen. Chemotherapie-Medikamente greifen allerdings nicht nur Krebszellen an, sondern auch gesunde Körperzellen, vor allem sich häufig teilende und vermehrende Zellen. Viele Patientinnen und Patienten müssen daher mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen an Haut und den Schleimhäuten rechnen, Organschädigungen (Magen- und Darm, Nieren), Haarausfall sowie Beeinträchtigungen des Blut- und Immunsystems.


Meine Erstlinien-Therapie beinhaltet eine Doppelkombination aus Alkylantien (21 x Cisplatin und aktuell 9 x Oxaliplatin) und Antimetabolite (30 x Gemcitabin), eine sogenannte „Hochdosis-Chemo“:

  • „Alkylantien verbinden sich mit dem genetischen Material (DNS) des Zellkerns. Dessen Stränge werden dadurch entweder eng miteinander vernetzt oder brechen auseinander. Auf diese Weise wird die Weitergabe der Erbinformation bei der Zellteilung verhindert. Der Komplex cis-[Pt(NH3)2Cl2] = Cisplatin und seine Verwandten (Oxaliplatin) gehören zu den wirksamsten Chemotherapeutika überhaupt. Platine verursachen Übelkeit, Anämie, Gehör-, Nerven- und Nierenschäden.

  • Antimetabolite sind Gegenspieler körpereigener Stoffwechselbausteine. Solche Zytostatika werden bei der Teilung von Tumorzellen anstelle der richtigen Bausteine in die DNS integriert. Dadurch werden an den betreffenden Stellen Abschnitte der Erbinformation zerstört.“ (Quelle: https://www.pflege-onkologie.de/krebstherapie/chemotherapie)

Der Einfluss der chemischen Giftsubstanzen ist vielfältig. Am bedeutsamsten ist der Abfall der weißen Blutkörperchen (Leukozyten: Bildung im Knochenmark) unter den Normbereich (< 3900 /mm3) der zu einer erhöhten Infektionsgefährdung führt. Wie stark er ist, hängt vom Zytostatikum und von der verabreichten Dosis ab. Bei einem leichten Abfall, Leukozytopenie (kurz Leukopenie) genannt, reicht es meist aus, sich von Personen mit einer sichtbaren Infektionskrankheit fernzuhalten und Menschenmengen zu meiden (Abstandsregelungen ist für uns „Krebsler“ die Normalität). Zudem kann das Wachstum der weißen Blutkörperchen heute bei Bedarf medikamentös mit G-CSF (Neupogen, Granocyte) angeregt werden.



Lebensbedrohlich ist ein starker Abfall der weißen Blutkörperchen (Agranulozytose). Bei weniger als 1000 Leukozyten pro Mikroliter Blut können Erreger nicht mehr adäquat abgewehrt werden. Bei Messwerten unter 500 Leukozyten pro Mikroliter besteht praktisch kein Immunschutz mehr. Auch die Zahl der für die Blutgerinnung zuständigen Blutplättchen sinkt (Thrombozyten: < 150 x1000/µl) – sichtbar z.B. an Zahnfleischblutungen oder Rachenentzündung, bis hin zu Organblutungen < 50 x1000/µl. Die Blutarmut (Anämie) kann mit Hilfe z.B. mit Transfusion von Erythrozytenkonzentraten erfolgreich behandelt werden. Der Hämogl. Gehalt, ein Proteinkomplex verantwortlich für den Transport von Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid im Blut, sinkt (< 13,5 g/dl) ebenfalls unter dem Einfluss der Chemotherapie (z.B. Müdigkeit, Antriebslosigkeit).


Wie alle Medikamente können auch Zytostatika bestimmte Organe wie zum Beispiel das Herz, die Nieren oder Knochenmark schädigen. Durch ihre mögliche, das Erbgut verändernde Wirkung erhöhen Zytostatika außerdem die Gefahr der Entstehung von Zweittumoren, vor allem von akuten Leukämien. Das Risiko steigt weiter, wenn Chemo- und Strahlentherapie kombiniert werden. Leider gibt es keine Statistik, die die Sterblichkeit durch die Therapien erfasst. Die Dunkelziffer dürfte sehr hoch sein. Aktuell gibt es keinerlei Studien und verlässliche Aussagen zu Wechselwirkungen mit möglichen Covid Impfungen, ein weiterer unterschätzter Risikofaktor.


Ich hatte rückblickend auf die 30 Chemotherapien gute „beschwerdefreie“ und schlechte „schmerzhafte“ Momente. Ein leichter Durchmarsch sah ich weder bei mir, noch bei meinen „Krebslern“ in der Ambulanz. Wieviel Lebenszeit ich dazu gewonnen habe, weiß nur der Herrgott. Ob eine Behandlung die eigene Lebenssituation wirklich verbessert oder möglicherweise auch nicht, verlangt eine sorgfältige Abwägung aller Vor- und Nachteile. Sprechen Sie ausführlich mit ihrem Onkologen, am Ende entscheiden Sie über Ihren Körper und Gesundheit!


„Die Wirksamkeit einer Therapie hängt im Wesentlichen davon ab,

in welchem Beziehungsgeschehen sie sich entfaltet.“

unbekannt


Ein „erträglicher Durchmarsch“ durch die Therapie erfordert viel Disziplin, Durchhaltevermögen, Glück und ständige Kontrolle und Beobachtung der körperlichen Veränderungen. Die regelmäßige Blutkontrolle umfasst dabei auch den Eisenstoffwechsel, Fettstoffwechsel, Eiweißstoffwechsel sowie die Elektrolyte (Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium, Zink) und den Vitaminspiegel (C, B6, B12, E, D3, K2). Die Zuführung von Nahrungsergänzungsmitteln stellt eine Stabilisierung der Blutwerte im Normbereich sicher. Und sie ist meiner Überzeugung nach ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Erhalt der Lebensqualität. Wie Sie liebe Leser die Qualität ihres Lebens einschätzen, können Sie nur selbst bestimmen. Für die meisten chronisch Erkrankten bedeutet Lebensqualität vor allem, am Leben teilzunehmen und nicht ausgeschlossen zu sein.



An alle Krebsler: „never give up“!


Euer

Christian

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